Digitale Grundbildung – cracking the code!

Es geht los! Im September 2022 wird das neue Unterrichtsfach „Digitale Grundbildung“ an Österreichs Schulen sein lang ersehntes Debut haben. Seit 2018 eine Verbindliche Übung an allen Mittelschulen und AHS Unterstufen, jetzt ist das Fach bereit für die Prime-Time. Die Stundenanzahl der Unterstufe wurde erhöht. Es ist Gesetz. Es gibt einen Lehrplan. Good News oder nicht?

Naja, schon. Diejenigen von uns, die seit Jahren mit der Förderung von Medienbildung und Medienkompetenz an den Schulen beschäftigt sind, freuen uns sehr, dass wir zumindest eine Wochenstunde „bekommen“ haben. Mit dieser Entscheidung wird die Legitimität des Faches und die Wichtigkeit der Inhalte bestätigt. Die Verbindliche Übung wurde sehr unterschiedlich an den Standorten umgesetzt. Das Know-How fehlte vielerorts. Manche Schulleitungen waren überfordert. Auch die technische Infrastruktur war (und zum Teil ist) nicht vorhanden. Daher ist es sehr positiv, es als fixer Bestandteil zu haben.

Corona beschleunigt …

Corona machte vieles möglich und hat bewirkt, dass nicht nur Geld für Infrastruktur und Ausstattung gefunden wurde, sondern, dass so gut wie alle Lehrpersonen des Landes sich mit technischen Dingen beschäftigt haben (müssen). Die Geräte-Initiative – Teil des 8-Punkt-Plans der Bundesregierung – macht es möglich, dass wir seit 2021 die Voraussetzungen für eine 1:1 Ausstattung in der Unterstufe an 93 % der Schulen haben. In diesem ersten Jahr, waren viele von uns, die diese Ausrollung der Geräte am Schulstandort koordiniert haben, stark damit beschäftigt, sämtliche technische, logistische und pädagogisch-didaktische Fragen zu lösen und Dinge zu erproben. Ein Jahr danach sind wir alle klüger, aber es war tatsächlich eine sehr große Herausforderung. So sind wir froh, dass wir eine Wochenstunde haben – ein offizielles Fach – und Zeit haben, die Inhalte didaktisch durchdacht zu vermitteln.

Was ist noch nicht da? Es gibt noch keine geprüfte Lehrpersonen und keine offiziellen Lehrbücher, die am Lehrplan angepasst sind. Auch wenn diese „Freiheit“ seine Vorteile haben mag, bedeutet es Pionier-Arbeit. Es gilt Lehrpersonen einzuschulen und Unterrichtsmaterialien zu entwickeln oder kuratieren. Viele Lehrpersonen sind im ersten Dienstjahr und brauchen umfassende Unterstützung. Es gibt zwar bereits bestehende Unterlagen aber diese müssen angepasst und zentral verwaltet werden. Bis es Lehrbücher gibt und geprüfte Lehrpersonen, muss jede Schule eine schulautonome Lösung finden. Das bedeutet, dass diejenigen, die das unterrichten, sich auf der Suche machen, es zu verstehen, um eine Planung machen zu können.

Meine Ansätze

An meinem Schulstandort bin ich für die Koordination zuständig, d. h. Kolleginnen und Kollegen einschulen und betreuen sowie Unterrichtsmaterialien zusammentragen. Da mein Lehramt für Informations- und Kommunikationspädagogik mich fachlich qualifiziert, und da ich EDV-Kustodin bin, fühle ich mich relativ sicher bei dieser Aufgabe. Wie bereite ich mich für dieses Jahr vor?

Zunächst habe ich den Lehrplan analysiert und für mich die Themen in einem Raster sortiert (hier werden die Bereiche, die Kompetenzen und Lernziele gut zusammengefasst). Meine Schülerinnen und Schüler haben iPads, daher wird das in der Planung berücksichtigt. Wenn man von 32 Wochenstunden im Schuljahr (und die Festigung mancher Skills in anderen Fächern) ausgeht, dann geht sich vieles aus! Ich freue mich sehr, im Englischunterricht zu programmieren oder Safer Internet Themen zu machen.

Beispiel: Überblick für das 1. Lernjahr

Dann machte ich eine Art Jahreseinteilung mit beweglichen Kacheln, damit ich eine logische Reihenfolge erstellen kann.

Beispiel: Planung der Themenblöcke/Stunde für das 2. Lernjahr

Jetzt bin ich in der Feinplanungsphase, in der ich individuelle Stundenabläufe erstelle. Ich mache das nicht nur für die Stufe, die ich unterrichte (heuer die 2. Klasse), sondern auch für andere an meiner Schule, die Unterstützung haben möchten.

Wie gesagt, es ist viel Arbeit. Bin sehr froh, dass ich über die Jahre viele Materialien bereits entwickelte. Jetzt müssen sie nur angepasst und aktualisiert werden.

Lehrbücher?

Es gibt einige Werke, die in den letzten Jahren herausgegeben wurden. Leider passen diese nicht genau für das Fach. Und auch nicht für jede Schule. In Österreichs Schulen haben mache Klassen Chromebooks, manche Windows Tablets, manche iPads und manche Windows Laptops. Es macht wenig Sinn in einem Lehrbuch z. B. die Excel-Oberfläche zu beschreiben, weil das nicht für alle Schulen gelten kann.

Leider herrscht mancherorts eine fehlerhafte Vorstellung, was die Digitale Grundbildung ist. Es ist keineswegs rein Informatikunterricht, Office-Anwendungen, ECDL oder Webtools wie Kahoot nutzen. Es ist viel mehr als das. Die Lehrbücher, die ich bisher evaluiert habe, sind eher „Informatikunterrichtlastig“ und sind für die Altersgruppe (10 bis 14 Jahren) wenig geeignet.

Auch ist es für manche neu, dass zeitgemäßer Unterricht handlungsorientiert und aktiv ist. Die 21st Century Skills (Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und Kritisches Denken) werden als Leitprinzipien im Lehrplan erwähnt. In der Praxis sieht es so aus, dass die Kinder E-Bücher, Zeitstrahlen, Mindmaps, Podcasts, Filme, Animationen, Wortwolken uvm. erstellen sollten, um ihr Lernen zu demonstrieren. Sie arbeiten in Gruppen in Online-Dokumenten oder planen mediale Projekte zusammen. Ein Lehrbuch, das dieser Ansatz reflektieren möchte, gibt Raum für die Erstellung von kreativen Arbeiten.

Der Lehrplan ist erstaunlich progressiv an manchen Stellen, und sehr abstrakt in anderen. Wenn ich abstrakt sage, meine ich, dass ein Praxistransfer nicht leicht vorstellbar ist. Beispiel vom 4. Lernjahr: Schülerinnen und Schüler können „Abstraktionsebenen und Interaktionen zwischen Anwendungssoftware, Systemsoftware und Hardwareschichten vergleichen„. Ich gebe zu, ich haben über diesen Satz sehr lang nachdenken müssen. 🙂

Überraschend ist, dass Barrierefreiheit stark hervorkommt. Beispiel: Im 3. Lernjahr können Schülerinnen und Schüler „ihre eigene medialen Produktionen auf Barrierefreiheit überprüfen und ggf. Barrieren beseitigen„. Das ist super. Ich frage mich wie viele Erwachsene wissen wie das geht? 🙂

Ich erwähne das alles um zu zeigen, warum ich stark anzweifle, dass ein Lehrbuch es schafft, den Lehrplan 100 % gerecht zu werden. Es sind so viele Themen dabei, wie Künstliche Intelligenz, Internet-Of-Things oder E-Mobilität, die sich in den nächsten Jahren schnell entwickeln werden. Bis ein Lehrbuch geprüft und approbiert wurde, schauen die Dinge anders aus. Man nehme nur das Phänomen der Cryptowährungen, das sich in den letzten Monaten anders als erwartet entwickelt hat. Die Dinge ändern sich schnell.

Cracking the Code

Ich hoffe so sehr, dass das Fach Digitale Grundbildung „erfolgreich“ in den Schulen umgesetzt wird. Und ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen, die es unterrichten, sich wohl dabei fühlen. Wie schaffen wir das? Nur mit vereinten Kräften. Es gibt viele Initiativen, Arbeitsgruppen und Vereinigungen, in denen Expertise geteilt wird. Lehrpersonen im E-Learning-Bereich, bei eEducation aktiv oder Teams am Schulstandort oder im Bezirk. Es ist jetzt an der Zeit schulübergreifend in dieser Sache zusammenzuarbeiten und kooperieren. Lasst uns nach Verbündeten suchen! Wir sitzen alle im selben Boat. Cracken wir den Code gemeinsam!

E-Mail: alicia.bankhofer@eeducation.at

Twitter: @aliciabankhofer

Beitragsbild

Ersteller: UCSD Jacobs School of Engineering – Katherine Connor 
CC BY NC – Jacobs School of Engineering, UC San Diego