Was „Corona“ lehrt: Gedanken nach einer Woche

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich meinen ersten Blogbeitrag im Jahr 2020 unter diesen neuen „Corona“–bedingten Bedingungen schreiben würde. Aber es kam wie es kam. Freitag vor einer Woche schulte ich noch hunderte von Schülerinnen und Schüler schnell vor der Schulschließung ein, erklärten ihnen wie sie sich in Microsoft Teams am Smartphone einloggen und ihre E-Mails in Outlook abrufen. Damit das Lernen online weiter gehen kann und der Unterricht mit digitalen Medien unterstützt werden kann.

Fast forward eine Woche. Schulen sind geschlossen. Kinder und Jugendliche lernen zuhause. Lehrerinnen und Lehrer des Landes stellen sich auf einigen Wochen des Fernunterrichts ein. Und ich manage Supportfragen und leite Einschulungen per Video-Konferenz. Mein Fazit nach einer Woche „Corona“-Unterricht?

Was wir gelernt haben: Bad News

Fehlende Medienkompetenzen = Bildungslücken

Es überrascht nicht, aber die Krise hat offenbart, dass eine große Anzahl an Lehrpersonen (sowie Kinder) sämtliche Grundlagen nicht beherrschen, einfach weil sie die Erfahrungen noch nie gemacht haben. Wir E-Learning-Verantwortlichen mussten sichern, dass alle ihre Passwörter und Logindaten für die Online-Plattform haben und dass sie wissen, wie sie sich einloggen. Das war alles andere als selbstverständlich. Wir haben noch an den zwei letzten Tagen vor der Schließung hunderten von Kindern beibringen müssen, wie sie ihre E-Mails abrufen und wie sie ihre Aufgaben und Nachrichten in Microsoft Teams finden.

Die Erfahrungen dieser Woche zeigten, dass viele nicht erkennen, ob sie eine Desktop- oder Browser-Version einer App verwenden, und können einfache Troubleshooting-Schritte nicht selbst durchführen. Viele beherrschen das regelrechte „Lesen“, sprich das Navigieren auf einer Webseite oder in einer App gar nicht, d. h. sie wissen nicht was die Symbole oder Icons in der App bedeuten können. Auch habe ich festgestellt, dass eine Fehlerkultur oder „Learning-By-Doing“ noch gelernt werden muss. Lehrenden mit Unterrichtspraxis mit digitalen Medien wissen längst, dass zuerst versucht werden muss, und haben gelernt, geduldig zu sein, wenn Dinge nicht so funktionieren wie angepriesen. Viele „Newbies“ gehen mit Störungen schlecht um und schmeißen genervt hin. Die „Feuertaufe“ ist für manche eine große Herausforderung.

Online-Lernen ist nicht gleich Offline-Lernen

Wer sich in den letzten Jahren über die Lehre anhand von Lerntechnologien weitergebildet hat, weiß, dass die Gestaltung von Unterricht online etwas ganz anderes als analoger Präsenzunterricht ist. Das erfordert andere Skills, die gelernt werden müssen. Es klingt logisch und ist es auch – es ist unabdinglich, effizient und regelmäßig zu kommunizieren. Es gilt, genaue Anweisungen zu geben, damit die Lernenden wissen wo sie eine Aufgabe, in welcher Form, bis wann und wie abgeben müssen. D. h. klar formulierte E-Mails/Nachrichten, Rückfragemöglichkeiten und Musterlösungen oder Demo-Videos, um diese Vorgänge zu veranschaulichen. Das heißt auch anders zu kommunizieren als zuvor: Chats, Nachrichten, E-Mail-Erinnerungen zu senden. Oder gar persönlich anrufen.

Auch ist es wichtig abzuklären, wie viele Aufgaben die Klasse bekommen hat, damit die Lerngruppe nicht überfordert ist. Das geht nur, wenn ein Lehrerteam von den Aufgaben der anderen weiß. Kommunikation also.

Vor allem ist es bei virtuellen Lernumgebungen und Klassenführung wichtig, die Online-Community zu motivieren. Das ist nicht selbstverständlich oder leicht. Ist aber wichtig, wenn die Lernenden zu Hause tatsächlich lernen sollen. Spannende und abwechslungsreiche Aktivitäten, Online-Spiele und Quizzes, leicht verständliche Feedback-Schleifen und klare Indikatoren über die Leistung tragen erheblich dazu bei, dass zuhause gern und nachhaltig gelernt wird.

Social Media, Informationskompetenz und „Bullshit-Radar

Was die Krise ebenfalls offenbart hat: viele Lehrende sind unerfahren in der Nutzung von Sozialen Netzwerken. Wir sehen Postings mit Kopien aus urheberrechtlich-geschützten Büchern in öffentlichen Foren. Oder es werden Falschmeldungen schnell weitergeleitet, ohne zu überprüfen ob diese wahr sind. Fragen werden gestellt, die mithilfe einer Suchanfrage in einer Suchmaschine schnell beantwortet wären. Das alles kommt durch Unerfahrenheit. Diejenigen, die sich erst jetzt sich mit dem Internet und Social Media auseinander setzen müssen erst ihr „Bullshit-Radar“ entwickeln, sprich einen Riecher dafür entwickeln, dass etwas nicht wahr klingt und somit nicht wahr sein kann. Ich bekomme fast täglich Meldungen weitergeleitet, die sich schnell als Fakes entpuppen. Viele wissen nicht, dass Bots automatisierte Inhalte posten, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Oder, dass Trolle aktiv nach Opfern suchen, um Hasspostings oder Shitstorms auszulösen. Der Crashkurs in Informationskompetenz ist für viele, die am Anfang sind, ärgerlich.

Dieser Artikel über Virales Content Marketing erklärt einiges über Internet-Phänomene.

Gibt es Good News? Ja!

Social Media bringt Gutes

Weil weltweit viele Menschen zuhause sind, sind die verschiedenen Netzwerke perfekte Orte für Online-Treffen. Wir sehen, dass viele Lehrende ihre Unterlagen, Ressourcen und Tipps teilen. Wir sehen, dass viele Tutorials erstellen und teilen, oder dass andere ihre Zeit für direkte Online-Meetings anbieten, um zu helfen mit Tools zurecht zu kommen. Wir sehen auch, dass andere zu Challenges herausfordern, um etwas anderes als „Corona“ in den Feeds zu lesen. Andere posten ermunternde Botschaften. Humorvolle Memes und positive Botschaften bringen uns zum Lächeln und Lachen. Diese Beispiele zeigen, dass Social Media Menschen positiv stimmen kann, was in diesen Zeiten wichtiger denn je ist.

Vielfalt der Anbieter entlastet und bereichert

Die gesteigerte Nutzung von Online-Plattformen haben die Tool-Anbieter und Dienstleistenden schwer auf die Probe gestellt. Die Server von Showbie, Seesaw, Padlet, Microsoft Teams oder Helbling E-zone waren in den ersten Tagen heillos überlastet. Ihre Teams arbeiten hart im Hintergrund, dass ihre Dienste funktionsfähig bleiben. Aber hier können wir froh sein, dass es kein Monopol gibt. Es gibt viele verschiedene Dienste, die wir nutzen können. Wie die Empfehlungen des BMBWF zeigen, können österreichische Lehrende auf eine Vielzahl an Tools zurückgreifen, um den Unterricht online zu gestalten. Auch bieten viele Tools und Services ihre Premium-Features kostenlos bis nach der Krise an. Einen Überblick ist in diesem Google Doc zu finden. Und hier sind die gesammelten Unterstützungsmaterialien der Bildungspunks zu finden. Diese Listen werden ständig ergänzt.

Medienkompetenzen für alle!

Auch wenn ich hart in den letzten Tagen gearbeitet habe, andere in Sachen Online-Lehren zu unterstützen, habe ich schon nach einer Woche Schönes erleben können. Kolleginnen, denen ich die Arbeit in Teams nicht zugemutet hätte, kommunizieren mit ihren Klassen, stellen Aufgaben und führen Video-Konferenzen. Es werden virtuelle Klassenstunden und Unterrichtsstunden gemacht. Auch finden Team-Konferenzen online statt. Kinder gründen eigene Lerngemeinschaften und erledigen ihre Aufgaben pünktlich. Es werden sogar Online-Quizzes wie Kahoot und Quizlet live mit Klassen über Microsoft Teams gespielt. Großartig zu sehen, dass sich viele außerhalb ihrer Comfortzone bewegen und bereit sind, Neues zu lernen.

Lehrpersonen lernen Video-Tutorials zu erstellen, Aufgaben zu programmieren, Online-Meetings zu führen, Kinder anzuweisen wie sie ihre Mikrofone stummschalten, oder Bildschirminhalte zu teilen.

Eine Krise haben wir gebraucht (wenn auch nicht auf Kosten der Gesundheit), dass immer mehr Lehrpersonen digital kompetent werden. Hoffen wir, dass diese Skills nachhaltig, auch nach „Corona“ wirken!


Webseite meiner Schule Informationen zur aktuellen Situation „Corona“

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